Geschichtliches
Der Mensch suchte schon immer in der Beobachtung der Natur und mithilfe ihrer Quellen die Befreiung vom körperlichen Schmerz und die Heilung. Bereits sehr früh verstand er aus Erfahrung die Bedeutung insbesondere des Wassers als natürliches Mittel. Die Urmenschen verwendeten das Wasser aus Instinkt, um ihre Wunden zu waschen und ihre Schmerzen zu lindern. So brachte der Mensch auf der einen Seite die Vorstellung vom Leben mit dem Wasser, auf der anderen Seite die Vorstellung vom Tod und auch von der geistigen Trägheit mit der Trockenheit in Verbindung. Er vermenschlichte das Wasser, widmete ihm Tempel und opferte in seinem Namen. Jedes Mal wenn man eine Reise in die Ursprünge der Kultur unternimmt, ist man gerührt von den herrlichen Mythen, die der Mensch sich ausgedacht hat, um die Natur zu bändigen oder sie zu verstehen. Auch die griechische Mythologie ist reich an Erzählungen über die belebende Rolle des Wassers. Dieses wird zuweilen als Gottheit, zuweilen als Lebens- und Energiequelle, die Kraft, Heilung, Gesundheit und Wohlbefindet verleiht, gepriesen. Viele der heute bekannten Heilquellen wurden mit bestimmten Göttinnen in Verbindung gebracht. Die Göttin Artemis, die Hüterin der Natur und des Wassers wurde in Thermi auf der Insel Lesbos und bei der Quelle Kastalia, in der Nähe des Orakels von Delphi verehrt. In der Quelle der Thermopylen badete nach der Überlieferung durch Pausanias Herkules nach jeder seiner zwölf Heldentaten, um zu neuen Kräften zu kommen. Zeus‘ Töchter, die Nymphen, welche Najaden und Hydriaden genannt wurden, waren Hüterinnen des Wassers. Sie wohnten im Süßwasser und verfügten über magische und hellseherische Fähigkeiten. Hebe, die Göttin der Jugend, badete in den Heilgewässern von Patras, um ihre Jugend zu erhalten, während die Quelle von Ypati der Göttin Aphrodite gewidmet war. Die Mythen verraten uns Lebensauffassungen und interpretieren Mentalitäten, Einstellungen und Verhaltensweisen. Sie bringen soziale Phänomene zum Ausdruck, zeigen Sitten und Gebräuche auf und heben die Wasserverehrung in der antiken griechischen Gesellschaft hervor.
Die Bedeutung des Wassers im Leben der antiken Menschen begleitete alle Facetten des menschlichen Lebens. Bereits aus Homers Zeiten sind Hinweise auf Heilbäder und die reinigende Kraft des Wassers überliefert. Jede religiöse Zeremonie, jedes Gebet, jede Einweihung, jede rituelle Reinigung der Toten setzt das Waschen mit Wasser oder Baden in Wasser voraus. Die Reinigung mit Wasser ist in allen wichtigen Stationen des menschlichen Lebens geboten: bei der Geburt, der Ehe, dem Tod. Homer erwähnt, dass Hektor Angst davor hat, Zeus „mit ungewaschenen Händen“ ein Trankopfer darzubringen. In den Epen Homers sind Aussagen über kalte und warme Heilbäder anzutreffen, die anscheinend sowohl von Männern als auch von Frauen gewohnheitsmäßig genutzt wurden. In einem Vorfall aus der Ilias baden Odysseus und Diomedes, nachdem sie in einer nächtlichen Aktion die Pferde des Rhesos gestohlen haben, im Meer, um den Schweiß abzuwaschen und wuschen ihren Hals und ihre Oberschenkel. Im Anschluss darauf badeten sie in den Thermen.
(„Aber die vierte Magd trug Wasser, und zündete Feuer
Unter dem großen Dreifuß an, das Wasser zu wärmen
Und nachdem das Wasser im blinkenden Erze gekochet,
Führte sie mich in das Bad, und strömt’ aus dem dampfenden Kessel
Lieblich gemischtes Wasser mir über das Haupt und die Schultern,
Und entnahm den Gliedern die geistentkräftende Arbeit.
Als sie mich jetzt gebadet, und drauf mit Öle gesalbet …“
Odyssee, 10. Gesang 358-364, deutsche Übersetzung von J.H. Voß)
Es besteht kein Zweifel daran, dass der wasserfreudige Geist der Achaier an die späteren Griechen weitervererbt wurde. Im antiken Griechenland gab es Bäder, die der Körperreinigung und der Stärkung dienten und Bäder zu therapeutischen Zwecken. Die spartanische, disziplinierte Lebensweise forderte von den Lakedaimoniern, dass sie in den kalten Gewässern des Flusses Eurotas baden. Die Athener dagegen badeten, je nachdem wie es die Umstände verlangten, sowohl kalt als auch warm und betrachteten die Bäder als einen Gesundheits- und Kulturfaktor. Die Makedonier bevorzugten die kalten Bäder, da sie der Auffassung waren, dass die Warmbäder die Trägheit begünstigen. Als Alexander der Große vor dem luxuriösen Bad des Dareios stand, fragte er sich: „Kann jemand inmitten dieser Verweichlichung Männer führen?“ Die Bäder waren im antiken Griechenland mit den Lebensauffassungen, den Sitten und Bräuchen und den sozialen Verhältnissen der damaligen Zeit verbunden. Die ältesten uns bekannten Badeanstalten wurden Ende des 6. Jh. v.Chr. in Syvari, eine altgriechische Stadt im heutigen Norditalien betrieben. Die Anlagen sowie das ganze Badeverfahren selbst werden im Altgriechischen „βαλανεῖον“ („balaneion“, latinisiert „balineum“, „balneum“, „Bad“) genannt. Solche Badehäuser findet man im 5. Jh. v.Chr. in Athen, aber auch während der hellenistischen Zeit sind sie weit verbreitet. Die Badehäuser waren öffentlich oder privat und befanden sich in der Regel in der Nähe von Sportstätten („Gymnasia“).
Im 6. und 5. Jh. v. Chr., in der Zeit vor Hippokrates wurde die medizinische Kunst im „Ἀσκληπιεῖον“ („Asklepieion“, latinisiert „Aesculapium“) ausgeübt.Diese Heilanstalten fungierten als Kultstätten und Heilzentren gleichzeitig. Die therapeutische Behandlung verlief auf drei Ebenen: die allgemeine Behandlung für alle Besucher, die vorbereitende für die Heilung des Patienten und die spezielle zur Behandlung von Erkrankungen. Die drei wichtigsten Asklepieia waren diese in Trikki (Geburtsstadt von Asklepios), in Epidauros und auf Kos. Das Asklepieion in Epidauros gilt als das als die Kultstätte der Wasserverehrung und Hydrotherapie schlechthin. Das Asklepieion von Kos hatte Becken für die Hydrotherapie und Brunnen mit viel Wasser. Bedeutend war auch das Asklepieion von Pergamon, Heimat des griechischen Arztes und Anatomen Galenos von Pergamon (latinisiert: Aelius Galenus).Hippokrates(460-375 v.Chr.), der als Begründer der Medizin als Wissenschaft und der Hydrotherapie gilt, war der Erste, der die therapeutische Wirkung von kalten und warmen Heilbädern systematisch erforschte und trennte sie von der Religion. Er teilte das Wasser in drei Kategorien ein: Trinkwasser, Salzwasser und Meereswasser. Mit Salzwasser meinte er das Heilwasser. In seinen Werken betonte er die Wirkung des Klimas, der morphologischen Bedingungen und der Ernährung auf die menschliche Gesundheit. Hippokrates‘ Gesamtwerk betreffend das Wasser und das Klima stellt zweifellos die erste klinische Hydrotherapie dar, die er den nachfolgenden Generationen vermachte. Seine Ansichten über das Klima und die therapeutischen Eigenschaften des Wassers und der Bäder werden die Grundlage bilden, auf der die Wissenschaft der Klimatotherapie und der Hydrotherapie aufgebaut werden.
Nach 1480 entwickelt sich die Wissenschaft in raschem Tempo. Neue wissenschaftliche Theorien treten in den Vordergrund, neue Forschungsergebnisse und Praktiken werden angewandt. In diesem Rahmen beginnt man, die Chemie des Wassers zu untersuchen, und die medizinische Hydrologie tritt in Erscheinung. In neuerer Zeit zeigt die Regierung Kapodistrias Interesse für die Aufzeichnung, die Erforschung und Nutzung der Heilquellen. 1845 bekundet die Königin Amalie von Griechenland auf dem Weg zu einer Badekur auf Kythnos ihr Interesse für die Quellen und so wurde dort ein Badehaus mit Marmorwannen errichtet. 1877 wird der Betrieb der Thermen in Aidipsos (Deutsch Aedepsos) wiederaufgenommen, die 1814 von den Türken zerstört worden waren, und der euböische Kurort wird zu einem Anlaufpunkt für Touristen. 1925 beginnt man mit der Nutzung der Heilquellen in Lagkadas, welche 900 n.Chr. vom Militärarzt Justinian erbaut wurden, während 1926 die Verwertung der Heilquellen in Kamena Vourla in Gang gesetzt wurde. Ab 1931 beginnt eine umfassende Studie für die Aufzeichnung der Heilquellen im Lande. Gleichzeitig wird die Karte der Heilquellen und Dampfthermen vom Amt für Fremdenverkehr und Messen herausgebracht. 1938 wurde auf Betreiben der Direktion für Heilquellen und Messen eine hervorragende Studie aller Mineralquellen Griechenlands in Auftrag gegeben. Mithilfe dieser Studie wurden neue Regionen mit natürlichen Austrittstellen von Mineralwasser geortet und bis dahin unbekannte Merkmale wurden aufgezeichnet. In der Zeit von 1925 bis 1950 gelangen die Kurorte Griechenlands zweifellos zu ihrer Blüte. 1983 wurde in Kamena Vourla der Städte- und Gemeindeverband der Kurorte Griechenlands gegründet, der das Studium, den Schutz und die Nutzung der natürlichen Heilquellen zum Ziel hat. Seit dem antiken Griechenland und bis heute pflegt der Mensch seine Gesundheit mithilfe von natürlichen Heilquellen. Die herrschende hippokratische Ansicht, dass die therapeutische Behandlung in einer angenehmen und hygienischen Umwelt stattfinden soll, ist zeitlos und blieb seit je unverändert. Die Kurorte Griechenlands sind durch die Jahrhunderte hindurch Orte der Therapie, der Unterhaltung, des Treffens. Es erscheint heute dringend notwendig, dass der Besucher seine individuellen Fähigkeiten auch mithilfe der natürlichen Heilquellen erweitert und seine körperliche und psychische Gesundheit pflegt.